Doskozil startet ins rote Rennen

Harald Hinger

Wiener SPÖ-Klubtagung im Burgenland fortgesetzt

In Frauenkirchen im Burgenland ist am Mittwoch die zweitägige Klubtagung der Wiener SPÖ fortgesetzt worden. Auf dem Programm standen weitere Arbeitspanels - unter anderem zum Thema Kultur und Gesundheit bzw. Soziales. Die Führungsdebatte der Bundespartei war offiziell kein Thema mehr, wenig überraschend aber trotzdem noch präsent.

Der Landesparteivorsitzende, Bürgermeister Michael Ludwig, und andere Spitzenfunktionäre wurden vor Beginn von Medienvertretern einmal mehr zu ihrer Einschätzung der Lage befragt. Ludwig nahm noch kurz an der Sitzung teil, bevor er sich auf den Weg nach Wien zu den Sitzungen der Parteigremien machte. Er wurde im Saal mit Applaus begrüßt. "Damit reist es sich vielleicht noch leichter", verabschiedete die Moderatorin den Chef.

Anschließend präsentierten Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler und Gesundheits- und Sozialstadtrat Peter Hacker ihr aktuelles Arbeitsprogramm. Die Kultur-Ressortchefin erinnerte dabei auch an die Klubtagung 2020: "Ich denke immer wieder an den Tag vor drei Jahren. Am zweiten Tag am Vormittag ist die Nachricht gekommen, dass es einen Lockdown geben wird."

Kaup-Hasler verwies auf die gravierenden Auswirkungen der Pandemie auf den Kulturbereich. Ihr Stadtregierungskollege Peter Hacker betonte, dass in den Spitälern die Phase noch nicht völlig vorbei sei, auch weil es noch 400 infektiöse Patienten dort gebe. Außerdem steige die Zahl der Krankenstände stark an. "Jetzt erst kommt heraus, dass die Mitarbeiter eigentlich müde sind."

Das Treffen der Stadt-Roten findet traditionell im Burgenland statt, wobei jahrelang in Rust getagt wurde. Weichenstellungen wie die Errichtung der U5 oder die Einführung des Gratiskindergartens wurden dort verkündet. Heuer standen Maßnahmen gegen die Teuerung im Mittelpunkt. Bürgermeister Ludwig hat gestern zum Auftakt neue Unterstützungen in Sachen Wohnen präsentiert.
Harald Hinger

Pamela Rendi-Wagner - Rote Frontfrau gibt nicht klein bei

Angezählt war Pamela Rendi-Wagner in ihrer Karriere als Parteivorsitzende schon öfter. Diverse Wahlniederlagen, parteiinterne Scharmützel oder schmerzliche Parteitagsergebnisse haben die 51-jährige Medizinerin zwar ins Wanken gebracht. Nach wie vor steht sie aber an der Spitze der SPÖ. Mit dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat sie nun erstmals einen Gegner, der tatsächlich zum KO-Schlag ansetzen könnte.

An Gründen für einen Rückzug hätte es bisher nicht gefehlt. Eine krachende Niederlage bei der von der SPÖ mit erzwungenen Nationalratswahl hat den Traum von der ersten roten Kanzlerin zunächst in die Ferne rücken lassen. Schwache EU-Wahlen und reihenweise verlorene oder zumindest enttäuschende Landtagswahlen gaben auch nicht unbedingt Grund zur Freude - dort wo die SPÖ gut abschnitt, war entweder der parteiinterne Gegner am Werk (Burgenland) oder zumindest eine Person für den Erfolg verantwortlich, die eindeutig nicht Rendi-Wagner war (Wien).

Spätestens nach einem Parteitagsergebnis von 75 Prozent hätten andere den Abgang entschieden bzw. den gesichtswahrenden Transfer auf eine andere Position suchen lassen. Rendi-Wagner tat etwas anderes: Sie moderierte sämtliche Querschüsse von Neusiedlersee bis Achensee weg, inszenierte sich vor allem in der Corona-Pandemie als fachkundige Expertin und punktete damit zunächst durchaus - bis vor kurzem war der Traum von der ersten SPÖ-Kanzlerin dann doch wieder nicht so weit hergeholt.
Warum sie das sein möchte, erschließt sich ähnlich wie dereinst bei Sebastian Kurz aber inhaltlich nur bedingt. Größere Visionen verbreitet sie nicht, vielmehr referiert sie mittlerweile seit Jahren ein Best-of der Forderungen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer. Auch wenn die anfängliche Unsicherheit in so manchem Themenfeld mittlerweile Geschichte ist, wirkte die Impfmedizinerin nur in der Pandemie so richtig sattelfest. Dass Rendi-Wagner außenpolitische Sprecherin ihrer Partei ist, wissen wirklich nur Insider.

Vorgeworfen wird der Parteichefin seit jeher, dass sie übercoacht ist, nicht natürlich über die Medien kommt, auch dass sie zu wenig Stallgeruch hat - trat sie, die im Favoritner Gemeindebau Per-Albin-Hansson-Siedlung aufwuchs, doch erst zwei Jahre, bevor sie im Chaos um den Rücktritt von Christian Kern an die Spitze gespült wurde, der SPÖ bei. Tatsächlich kannte man davor eine ganz andere Rendi-Wagner, als sie noch als Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit der heimliche Star des zuständigen Ressorts und ob ihrer Souveränität bei öffentlichen Auftritten nicht nur erklärter Medien-Liebling war.
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Der frühe Tod von Sabine Oberhauser brachte die politische Quereinsteigerin Rendi-Wagner dann an die Spitze des Ministeriums, viel bewegen konnte sie dort nicht mehr, alleine deshalb, weil Sebastian Kurz der Koalition recht rasch den Garaus machte. Die Partei meinte trotzdem, ein Talent zu erkennen, gab ihr einen prominenten Listenplatz und ließ sie - auch angesichts einer gewissen Personalverlegenheit - 2018 die Spitze der Sozialdemokratie erklimmen.

Wenig danach wankte die SPÖ schlecht vorbereitet in das schlechteste Nationalratswahl-Ergebnis ihrer Geschichte, was Rendi-Wagner mit dem legendären Spruch "Die Richtung stimmt" auch noch garnierte. Eigentlich schien ihre Zeit damit schon abgelaufen, doch sie besitzt eine machtpolitische Kunst, die selbst manchem Berufspolitiker fehlt. Rendi-Wagner sucht sich die Verbündeten an den richtigen Hebeln. Die mit allen Wassern gewaschene Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) wurde ihr politischer Schutzengel, Bürgermeister Michael Ludwig verdonnerte seine Wiener Stadtpartei hinter Rendi-Wagner und die Gewerkschaft goutierte, in allen inhaltlichen wie personellen Fragen bei der Chefin Gehör zu finden.
APA/Manhart
Mit dieser mächtigen Rückendeckung zieht die SPÖ-Vorsitzende nun ins nächste Gefecht, das nicht das letzte sein muss. Zum Erstaunen des Publikums ging Rendi-Wagner just in einer burgenländischen Ruhephase und im Gefolge der nächsten schmerzhaften Wahl-Pleiten der Sozialdemokratie in die Offensive, griff Doskozil ungewöhnlich scharf öffentlich an und verkündete vor Selbstvertrauen strotzend ihre Bereitschaft zum Duell.

Dass dieser sich nun tatsächlich auf ein solches einlässt, war nicht unbedingt zu erwarten - und ob Doskozil ein solches auch ohne die Provokationen der letzten Tage gesucht hätte, weiß nur er selbst. Der Ausgang des Rennens ist dabei einigermaßen offen. Denn ob die Partei lieber den robusten Macher aus dem Burgenland an ihrer Spitze hat als die öffentlich meist freundliche, aber stets etwas distanzierte Amtsinhaberin, ist alles andere als gewiss. Und schließlich hat Rendi schon der ein oder andere Sturm nicht umgehauen.

Zur Person: Joy Pamela Rendi-Wagner, geboren am 7. Mai 1971 in Wien, verheiratet mit dem Diplomaten Michael Rendi, zwei Töchter, 1996 Promotion an der Medizinischen Universität Wien, Facharztausbildung in London, wissenschaftliche Arbeit am Institut für Tropenmedizin der Med-Uni Wien, 2008 Habilitation, Gastprofessur an der Universität Tel Aviv, ab 1. März 2011 Sektionschefin und Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, ab 8. März 2017 Gesundheits- und Frauenministerin, seit der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ Abgeordnete zum Nationalrat und Gesundheitssprecherin der SPÖ. Seit 25. September 2018 Vorsitzende der SPÖ, zunächst geschäftsführend.
Harald Hinger

Hans Peter Doskozil - Ex-Verteidigungsminister im Angriffsmodus

Nun hat er es also doch getan. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat den Hut in den Ring geworfen und sich um den Parteivorsitz der SPÖ beworben. Bundespolitische Ambitionen wurden dem ehemaligen Verteidigungsminister schon lange nachgesagt - mit einem Brief an Parteivorstand und Präsidium schaltete er nach wiederholten Sticheleien gegen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner auch offiziell in den Angriffsmodus.

Ganz sein Plan gewesen sein dürfte das aber nicht. Zuletzt machte er zwar immer wieder Stimmung gegen Rendi-Wagner bzw. für sich selbst - etwa mit einer Umfrage, wonach er als Kanzlerkandidat besser abschneiden würde als seine Kontrahentin. Wirklich offen deklarieren wollte er sich aber nicht.

Erst die Ereignisse der letzten Tage haben den 52-jährigen Ex-Polizisten, der nach mehreren Kehlkopf-Operationen mit Stimmproblemen zu kämpfen hat, mehr oder weniger gezwungen, tatsächlich den offenen Kampf zu suchen. Unter anderem wurde ihm von Rendi-Wagner eine Heckenschützenmentalität nachgesagt, andere zweifelten gar seine Männlichkeit an.

Die erste große öffentliche Stunde schlug für Doskozil bei der Flüchtlingstragödie auf der A4 mit dutzenden Toten in einem Lastwagen. In seiner Funktion als Landespolizeidirektor agierte er betroffen wie umsichtig und schaffte sich über die eigenen Bundesland-Grenzen hinweg Anerkennung. Dies galt umso mehr, als er unmittelbar danach den Flüchtlingsstrom 2015 in Nickelsdorf souverän handelte. Geradezu absurd erscheint heute, wo Doskozil gerade in Asyl-Angelegenheiten den Rechtsausleger der SPÖ gibt, dass er dereinst als Proponent der "Willkommenskultur" geschildert wurde.
APA/Punz
Die politische Karriere war jedenfalls für den Südburgenländer, der davor schon das Büro des damaligen Landeshauptmanns Hans Niessl (SPÖ) geleitet hatte, nun endgültig vorgezeichnet. Werner Faymann (SPÖ) holte ihn ins Verteidigungsministerium, wo ihn auch Christian Kern (SPÖ) beließ, als dieser die Führung von Partei und Regierung übernahm. Doskozil war schnell geachtet und beliebt, umso mehr als er für das Heer mehr Geld herausholte und auch für dessen Image so einiges tat.


APA/Scheriau
Doch es sollte zurück in die Heimat gehen. Niessl kürte Doskozil zu seinem Kronprinzen. Den Umweg als Landesrat über das Finanzressort hatte er noch zu überstehen, ehe ihn die Landespartei 2018 zuerst an ihre Spitze und im Frühling darauf in den Landeshauptmann-Sessel hob.

Dort ging es Doskozil forsch an: Anstellung pflegender Angehöriger, Energieautarkie, Mindestlohn, höchste Ärztegehälter usw. -  der Landeshauptmann schaffte es, Schlagzeilen im und für das Burgenland zu machen. Gegenwind war ihm reichlich egal, auch wenn er aus den eigenen Reihen kam, wie die Gewerkschaft in Sachen Mindestlohn oder bezüglich seiner Forderung nach Abschaffung der Österreichischen Gesundheitskasse zu spüren bekam. Freilich hatte all das einen Preis. Der Landesrechnungshof zeigte sich zuletzt ob der hohen Schulden besorgt.

Die Bevölkerung scheint das eher wenig zu kümmern, auch die Commerzialbank-Affäre überstand Doskozil letztlich unbeschadet. Viel mehr gefällt es den Burgenländern, dass man etwa mit der "Schlagernacht" und Alfons Haider als Generalintendant etwas Glamour ins Bundesland bekommen hat. Dass Doskozil aus dem rigiden Coronakurs der Bundespartei das ein- oder andere Mal ausscherte, wird ihm auch nicht geschadet haben.
APA/Techt
Doskozil gilt als ausnehmend selbstbewusst, was durch die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl 2020 noch einmal einen Schub bekommen haben dürfte. Diesen Gestus trägt er im Umgang mit dem politischen Gegner ebenso vor sich her wie im Clinch mit der eigenen Partei. In der Löwelstraße ist man seit Jahren keine Sekunde vor einem möglichen Querschuss aus Oberwart, wo Doskozil mit seiner aus Deutschland stammenden Ehefrau lebt, sicher.

Seine Stimmprobleme thematisiert der Landeshauptmann offensiv. In der Spitzenpolitik fühlt er sich zwar dadurch ein wenig eingeschränkt, doch sieht er sich ausreichend gewappnet und das auch für höhere Ämter als jenes des Landeshauptmanns. Vielen in der Partei missfällt das forsche politische Tempo des begeisterten Auto- wie Radfahrers ebenso wie dessen vermeintliche Illoyalität. Sich aus den Bundesgremien zurückziehen, aber vom Burgenland aus zu allem eine Meinung haben, war der meist gehörte Vorwurf.

Zur Person: Hans Peter Doskozil, geboren am 21. Juni 1970 in Vorau in der Steiermark, lebt im Bezirk Oberwart. Polizist, zuletzt Landespolizeidirektor (bis 2016), berufsbegleitend Studium der Rechtswissenschaften. SPÖ-Gemeinderat in Grafenschachen von 2007 bis 2012, Verteidigungsminister von 2016 bis 2017, ab Dezember 2017 Landesrat, seit 8. September 2018 SPÖ-Landesparteichef, seit 28. Februar 2019 Landeshauptmann des Burgenlandes. In zweiter Ehe verheiratet, Vater zweier Kinder aus erster Ehe.
Harald Hinger

Wiener SPÖ stellt sich hinter Rendi-Wagner

Die Wiener SPÖ stellt sich weiter hinter Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) meinte diesbezüglich am zweiten Tag der Klubtagung der Hauptstadt-Roten in Frauenkirchen, er habe dies schon gestern klar gemacht und daran habe sich nach der Kandidatur von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) nichts geändert. An einen dritten Kandidaten für den Parteivorsitz glaubt er nicht und hält ihn auch nicht für nötig.
APA/Jäger
Stadtrat Peter Hacker unterstützte im Gespräch mit Journalisten ebenfalls Rendi-Wagner und attackierte gleichzeitig Doskozil. Dieser habe mit der Führungsdebatte den Wahlkampf der Salzburger SPÖ "versemmelt". Insgesamt hofft er auf ein rasches Ende der Debatte, gebe die SPÖ aktuell doch "ein lächerliches Bild" ab.
APA/Manhart
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Chronologie des Konflikts Doskozil gegen Rendi-Wagner

Der Konflikt zwischen SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil schwelt bereits seit Jahren, immer wieder befeuert durch angriffige öffentliche Aussagen Doskozils. Begonnen hat er bereits kurz nach der Kür Rendi-Wagners zur neuen SPÖ-Chefin nach dem überraschenden Rücktritt von Ex-Kanzler Christian Kern. Im Folgenden ein Überblick über die Geschichte des Konflikts:

  • 22. September 2018: Rendi-Wagner wird als neue SPÖ-Chefin designiert. "Könnte sie Opposition nicht, würden wir sie nicht heute zur Parteivorsitzenden designieren", kommentiert Doskozil, der von Beginn an als Rendi-Skeptiker gilt, ihre Kür damals. Beim Parteitag Ende November erhält Rendi-Wagner 97,8 Prozent der Delegiertenstimmen, der in Umfragen beliebte Doskozil schneidet mit 82,3 Prozent unter ihren Stellvertretern am schwächsten ab.
  • Dezember 2018: Doskozil richtet der Bundespartei am Beispiel Mindestsicherung aus, sie solle eine "konstruktivere Oppositionspolitik" fahren. Auch danach sorgt er mit öffentlichen Wortmeldungen etwa zur Sicherungshaft in der Partei für Konfliktstoff.
  • 2. März 2019: Beim Landesparteitag der Tiroler SPÖ fordert Rendi - auch in Richtung Doskozil - Geschlossenheit in der Partei ein. Der kündigt aber gleich an, seine Meinung weiterhin zu äußern, wenn er es als "richtig" erachtet - und das tut er in der Folge häufig.
  • November 2019: Nach dem schlechten Abschneiden der SPÖ nicht nur bei der Nationalratswahl erklärt Doskozil die SPÖ für "nicht regierungsfähig". Nach Gerüchten über die Ablöse der Bundesparteivorsitzenden fordert er ein Ende der Personaldebatte, betont aber gleichzeitig: "Erst kommt die inhaltliche Diskussion, und dann kann man am Ende des Prozesses noch einmal offen und ehrlich die Personalfrage stellen."
  • Jänner 2020: Im Vorfeld der burgenländischen Landtagswahl zieht Doskozil wieder gegen die "thematisch passive" Bundes-SPÖ vom Leder. Nach seinem Erdrutsch-Sieg legt er der Bundes-SPÖ noch am Wahlabend nahe, ihre Linie etwa bei der Sicherungshaft zu überdenken, und tritt damit die nächste Führungsdebatte los.
  • 6. Mai 2020: Rendi-Wagner versucht einen Befreiungsschlag durch eine Mitgliederbefragung und bekommt 71,4 Prozent Zustimmung. Nur zwei Monate später schließt Doskozil eine Nationalrats-Spitzenkandidatur lediglich "derzeit" aus. "Man kann nie wissen, was politisch passiert."
  • April 2021: Doskozil zieht sich aus dem Parteipräsidium zurück, damit wolle er "einen Neustart ermöglichen".
  • 20. Juli 2021: Kärntens SPÖ-Parteichef Landeshauptmann Peter Kaiser lädt Rendi und Doskozil zum Versöhnungsgespräch nach Kärnten.
  • November 2022: Die SPÖ Burgenland sorgt mit einer von ihr beauftragten Umfrage für Aufsehen, in der auch abgefragt wird, wie die SPÖ bei einer bevorstehenden Nationalratswahl mit Doskozil als SPÖ-Kanzlerkandidat im Vergleich zu Rendi-Wagner abschneiden würde. SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst betont zwar, man habe nur Doskozils Inhalte abfragen wollen. Wenig später wirbt er aber in einem Interview offen für Doskozil als Bundeskanzler und bringt eine Befragung der SPÖ-Mitglieder ins Spiel.
  • Frühjahr 2023: Nach den Verlusten der SPÖ bei den Wahlen in Niederösterreich nimmt die Debatte um Rendi-Wagner - befeuert durch Aussagen Doskozils, dass die SPÖ mit der aktuellen Führung nicht ihr volles Wählerpotenzial ausschöpfe - weiter an Fahrt auf. Als Rendi-Wagner Doskozil ersucht, Anfang März "angesichts der aktuellen Situation" am SPÖ-Präsidium teilzunehmen, sagt dieser zu - um dort "Zukunftsperspektiven für die Sozialdemokratie" zu diskutieren.
  • 14. März 2023: Doskozil legt sich fest und gibt bekannt, dass er sich um den Vorsitz der Bundes-SPÖ bewerben will. Die jahrelangen Querschüsse gegen die Bundesvorsitzende relativiert er in seinem Bewerbungsbrief: Es gehe dabei nicht um einen "Rosenkrieg", sondern "um die Frage, mit welchen konkreten Programmen und Maßnahmen wir als SPÖ auf die konkreten Sorgen der Menschen in Österreich reagieren wollen".
Harald Hinger

SPÖ-Führungsstreit beschäftigt Parteigremien

Auf einen vorläufigen Höhepunkt steuert am Mittwoch der Führungsstreit in der SPÖ zwischen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zu. In den Räumen des Klubs im Parlament tagen das SPÖ-Präsidium und danach der Parteivorstand. Dabei wird es nicht zuletzt um die Frage gehen, ob ein Parteitag oder ein Mitgliederentscheid Klärung über die Frage der Partei-Führung herbeiführen soll.
APA/Fohringer
Letzteres wird von Herausforderer Doskozil bevorzugt. Dieser hatte tags zuvor für einen Paukenschlag gesorgt, indem er in einem Brief an die Gremien wissen ließ, dass er sich nun offiziell für den Job des SPÖ-Chefs bewerben wird. Dafür wird er dem Präsidium einen Mitgliederentscheid vorschlagen, bei dem nicht nur die Personalfrage geklärt werden soll, sondern Doskozil auch über sein Programm und sein Team abstimmen lassen will.

Für eine Kampfabstimmung auf einem Parteitag steht er nicht zur Verfügung, machte er klar. Rendi-Wagner hingegen will einen raschen Parteitag, um für Klarheit zu sorgen. Während die Parteichefin bedeutende Faktoren der Partei wie die Wiener Landespartei und die Gewerkschaft hinter sich wähnt, zeigten sich die Landesparteien geteilt.
Harald Hinger

Reaktionen von der SPÖ Oberösterreich und SPÖ Vorarlberg

Oberösterreichs SPÖ-Parteichef Michael Lindner fand es "gut, dass wir von Hans Peter Doskozil Klarheit haben, um morgen zu beraten, welche Form (Sonderparteitag oder Mitgliederentscheid, Anm. d. Red.) die günstigste ist". Lindner betonte, es müsse jene "Vorgangsweise" gewählt werden, "die von allen akzeptiert" werde. Seine Landespartei habe mit der Urabstimmung über die Parteiführung jedenfalls gute Erfahrungen gemacht. Die Oberösterreicher hatten als erste Landespartei 2022 in einer Mitgliederabstimmung ihren neuen Chef - Lindner erhielt 95,94 Prozent - gewählt. Die Frage, wen er an der Spitze der Bundespartei sehen wolle, ließ er unbeantwortet. Ob im Team von Doskozil auch Genossen aus Oberösterreich dabei seien, wusste Lindner Dienstagabend nicht, meinte er zur APA. In der ZIB2 sprach sich Lindner dann für einen Mitgliederentscheid und einen anschließenden Parteitag aus, der die Entscheidung vollzieht. Dass dem das Staut im Weg stehen könnte, will Lindner nicht gelten lassen: "Wir sollten uns nicht von formalen Dingen aufhalten lassen." Der oberösterreichische SPÖ-Chef gab sich zuversichtlich, dass sowohl Mitgliederentscheid als auch Parteitag "noch vor dem Sommer" geschafft werden könnten.

Einer Mitgliederbefragung eher ablehnend gegenüber zeigte sich die Vorarlberger SPÖ-Vorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger. Auf APA-Anfrage sagte sie, sie würde sich einen Sonderparteitag wünschen, aber: "Es ist kein Wunschkonzert." Das gelte für sie genauso wie für Doskozil, und sie werde die Entscheidung als Demokratin akzeptieren. Persönlich halte sie eine Mitgliederbefragung in der jetzigen Situation für "unmöglich". Zum Antreten Doskozils an sich wollte sie sich vorerst nicht äußern. Er solle sich der Abstimmung stellen, egal in welcher Form. Es gelte abzuwarten, was dabei herauskomme.
Nick Wolfinger

Rendi-Wagner warnt vor Rechtsruck 

Noch bevor der Brief von Hans-Peter Doskozil an die Öffentlichkeit gelangte und für Aufsehen sorgte, hatte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ihren Auftritt bei der Klubklausur der Wiener Sozialdemokraten im burgenländischen Frauenkirchen dafür genützt, vor einem Rechtsruck der eigenen Organisation zu warnen. Wer der SPÖ empfehle, ein bisschen nach rechts zu rücken, meine es nicht gut mit der Partei, betonte sie.
Nick Wolfinger
Das Duell um den Vorsitz der SPÖ ist eröffnet. Am Tag vor den richtungsweisenden Sitzungen von Parteipräsidium und Vorstand hat der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) per Brief kundgetan, sich der Wahl zum Chef der Sozialdemokraten zu stellen. Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner hat dies ja schon länger klar gemacht. Offen ist jetzt vor allem, in welcher Form die Parteispitze gekürt wird.
Nick Wolfinger

Doskozil-Kandidatur überschattet SPÖ-Klausur im Burgenland

Nick Wolfinger

Ludwig für rasche Klärung

Für eine sehr rasche Klärung sprach sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aus, der von der Ankündigung Doskozils bei der Klubtagung der Stadtpartei, die ironischerweise im Burgenland stattfindet, überrascht wurde. Hatte er sich zu Mittag noch voll und ganz hinter Rendi-Wagner gestellt, gab er am Nachmittag öffentlich vor den Delegierten keine Empfehlung ab und verwies auf die Gremien.

Allerdings ist sein Wunsch nach einer möglichst raschen Entscheidung wohl eine indirekte Absage an einen Mitgliederentscheid. Ludwig argumentiert, dass man nicht im luftleeren Raum sondern im politischen Wettbewerb sei. Rendi-Wagner hatte in ihrer Rede in Frauenkirchen - wohl an Doskozil gerichtet - vor einem Rechtsruck der Partei gewarnt und zur Geschlossenheit aufgerufen.
APA/Jäger
Nick Wolfinger

Geteilte Meinungen der Länder zu Mitgliederentscheid

Die Resonanz aus den Ländern hinsichtlich des von Hans-Peter Doskozil geforderten Mitgliederentscheides um den SPÖ-Parteivorsitz ist unterschiedlich. Kärntens SP-Landeshauptmann Peter Kaiser und der steirische SP-Chef haben sich am Dienstag vorerst bedeckt gehalten. In Salzburg und Niederösterreich hatte man sich hingegen zuvor offen gezeigt.

Dass Doskozil eine Entscheidung treffen werde, sei zu erwarten gewesen, kommentierte Kärntens SPÖ-Vorsitzender Peter Kaiser auf APA-Anfrage die Bewerbung seines burgenländischen Parteikollegen. Wie er dazu oder zur Idee einer Mitgliederbefragung steht, wollte Kaiser aber nicht bekanntgeben. Der steirische SPÖ-Vorsitzende und LHStv. Anton Lang gab sich am Dienstagnachmittag ebenfalls bedeckt. Aus der Tiroler Landespartei hieß es ebenfalls, dass man sich vorläufig nicht zur neuesten Entwicklung äußern wolle.

Zuvor hatte sich der Salzburger SPÖ-Chef David Egger gegenüber der "Presse" offen für eine Mitgliederbefragung gezeigt. Nach dem Bekunden Doskozils meinte Egger gegenüber der APA, angesichts der bevorstehenden Landtagswahl am 23. April wolle er sich nicht an einer Personaldebatte beteiligen. Der Fokus müsse jetzt klar auf der Salzburg-Wahl liegen.

Auch der niederösterreichische SPÖ-Klubobmann Hannes Weninger hatte sich zuvor gegenüber noe.orf.at für eine Mitgliederbefragung ausgesprochen. Eine Mitgliederbefragung könne ein "Zeichen an die Zigtausenden Mitglieder sein, dass sie mit eingebunden sind. Dann wird es wahrscheinlich leichter fallen, einen gemeinsamen Konsens mitzutragen", meinte er.
Nick Wolfinger

Kickl kritisch gegenüber Doskozil

Mit kritischer Distanz sieht FPÖ-Chef Herbert Kickl die Ankündigung Doskozils, für den SPÖ-Bundesparteivorsitz kandidieren zu wollen. Auf Facebook verwies Kickl darauf, dass Doskozil - schon wiederholt - eine Vorliebe für eine Ampel-Koalition aus SPÖ, Grünen und NEOS gezeigt hat.

Seit mehr als einem Jahr betonte Doskozil in Interviews immer wieder einmal seine Präferenz für die "Ampel". Im heurigen Jänner merkte er an, dass es mit der FPÖ, so wie es sie "jetzt gibt, sicherlich extrem schwierig" wäre.

"Egal wann, egal wo, egal wer - unglaubwürdig seid ihr alle: Siehe Corona, Neutralität, Teuerung, EU-Hörigkeit, Völkerwanderung etc.!", teilte nun Kickl angesichts von Doskozils Kandidatur-Ansage mit. Und ging auch direkt auf die Koalitionsfrage ein: "PS: Glaubt ihr wirklich, die Österreicher wollen euer Modell einer Ampel-Regierung wie in Deutschland?"
APA/AFP
Nick Wolfinger

Wie läuft ein "Mitgliederentscheid" ab?

Hans Peter Doskozil will SPÖ-Bundesparteivorsitzender werden. Sein Mittel der Wahl, um sich gegen Pamela Rendi-Wagner durchzusetzen, ist der Mitgliederentscheid. Laut SPÖ-Organisationsstatut muss dieser durchgeführt werden, wenn es zumindest zehn Prozent aller Mitglieder auf Bundesebene verlangen. Das Ergebnis ist verbindlich, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat und sich 20 Prozent aller SPÖ-Mitglieder daran beteiligt haben.

Beschlüsse, die nach dem Organisationsstatut von anderen Gremien oder Organen zu fassen sind, können nicht Thema eines Mitgliederentscheids sein. Ein Problem für Doskozil könnte also dadurch entstehen, dass in Paragraf 47 festgelegt ist, dass ein Parteitag über die Wahl des Bundesparteivorsitzenden entscheidet.

Neben den zehn Prozent der SPÖ-Mitglieder auf Bundesebene ist auch Bedingung, dass aus wenigstens drei Landesorganisationen jeweils zumindest 25 Prozent "der insgesamt für die Einsetzung eines Mitgliederentscheides erforderlichen Mitglieder" dies fordern, gibt das Organisationsstatut vor. Der Mitgliederentscheid muss innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, ab dem er verlangt wurde, beginnen. Der Bundesparteivorstand beschließt die Verfahrensrichtlinien und setzt den Zeitraum zur Abhaltung des Entscheides fest.

Der Mitgliederentscheid grenzt sich von der Mitgliederbefragung ab. Diese kann durchgeführt werden, wenn das vom Parteivorstand des jeweiligen Organisationsbereiches - also etwa Landes- oder Bundesorganisation - beschlossen wird. Im Gegensatz zum Mitgliederentscheid sind die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung nicht verbindlich, auch sind nicht zehn, sondern nur fünf Prozent der SPÖ-Mitglieder für deren Einsetzung notwendig.
Nick Wolfinger

"Es ist kein Rosenkrieg" - Der Doskozil-Brief im Wortlaut

Im Folgenden den Bewerbungsbrief von Hans Peter Doskozil für den SPÖ-Vorsitz im Wortlaut:
APA/Faksimile