Merz bei Trump

Janko Tietz
Newsressort
Janko Tietz

Die sechs Erkenntnisse der SPIEGEL-Redaktion

1. Ein unscheinbarer Merz
Mein Fazit zu Merz bei Trump: War da was? Der Kanzler war da, aber, zumindest im Oval Office, kaum präsent. Da war vor allem der Hausherr und seine Monologe, soweit nichts Neues – und da war auch, immer noch, sehr viel Elon Musk. Der reichste Mann der Welt, sein First Buddy und Sonderberater, der ihn erst vergangene Woche verlassen hat, verlassen musste. Es scheint ein bisschen weh zu tun.

Ein unscheinbarer Merz kann durchaus gut für die transatlantischen Beziehungen sein, er hält sich so seinen Wirkraum offen, indem er mit diesem Auftritt niemanden verprellt hat. Wenn Trump Deutschland neutral gegenübersteht, ist das schon eine Verbesserung gegenüber Trumps Verhältnis zum Beispiel zu Angela Merkel.
Amalia Heyer, US-Korrespondentin in Washington

2. Amerika schaltet wieder auf Amerika um
Nach dem Ende der Live-Übertragung konzentrieren sich die US-Nachrichtensender sofort wieder auf die Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten und seinem früheren Sparkommissar. Elon Musk hat Trumps erste öffentliche Äußerungen zu diesem Konflikt live auf seinem X-Feed kommentiert, zum Teil mit brüskem Widerspruch: »Falsch«, schrieb er zum Beispiel zu Trumps Behauptung, er, Musk, kenne das umstrittene »große schöne« Haushaltsgesetz besser als jeder andere: »Dieses Gesetz ist mir nicht ein einziges Mal gezeigt worden (…)!« 

Von Merz, von Deutschland, von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist in den US-Nachrichtenkanälen zunächst keine Rede mehr. Trump hat den Auftritt mit dem deutschen Kanzler letztlich dafür genutzt, um sich innenpolitisch zu profilieren.
Bernhard Zand, US-Korrespondent in New York
Elon Musk und Donald Trump
Elon Musk und Donald Trump. Foto: REUTERS
 3. Ein sonderbarer Kindervergleich
Trump verglich Russland und die Ukraine mit zankenden Kindern. Dabei war es er selbst, der bei dem Thema wie ein Kind wirkte: fahrig, stammelnd, selbstbezogen. Eine Linie war nicht wirklich erkennbar. Seine Ausführungen zum Krieg mündeten erst in einer Tirade gegen seinen Vorgänger Joe Biden, dann in Lobgesang auf sich und seine Vermittlerrolle im Konflikt zwischen Indien und Pakistan. Er glaube nicht, dass die beiden Seiten einen Deal unterzeichnen würden, mutmaßte Trump zunächst – und sagte kurz darauf das Gegenteil. 

Merz hingegen war souverän bei dem Thema, dem Kanzler gelang ein Balanceakt. Er wies zunächst auf die Gemeinsamkeiten hin: Wie Trump wolle er, dass der Krieg schnellstmöglich ende. Dann machte er die Unterschiede deutlich, ohne Trump anzufeinden. »Meine Position ist klar«, sagt Merz. »Wir stehen an der Seite der Ukraine.« Russland trage die Verantwortung für das Sterben in der Ukraine. Ein Kriegsende sei deshalb nur möglich, wenn man der Ukraine den Rücken stärke. Trump hingegen beklagte nur Allgemein das Blutvergießen.
Alexander Sarovic, Auslandsreporter

4. Wenigstens kein Eklat
Merz hat die heikle Pressebegegnung im Oval Office gut überstanden. Zwar stand der Kanzler hier nicht im Rampenlicht, die US-Medien interessierten sich nicht für ihn. Doch er lief auch zu keinem Zeitpunkt Gefahr, dass das Gespräch in einem Eklat endet, wie ihn vor Monaten der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erlebte.

Auch wenn Merz‘ Redeanteil denkbar niedrig war, hat er seine Punkte gemacht: Er hat Trump geschmeichelt, dessen Bedeutung für ein Ende des Kriegs in der Ukraine hervorgehoben. Er hat sich dankbar gezeigt für die historischen Verdienste der USA bei der Befreiung Deutschlands von der Nazidiktatur. Und er hat beherzigt, was ihm andere Staatschefs, die schon bei Trump waren, geraten haben: Nicht zu lange selbst reden, Trump hat eine kurze Aufmerksamkeitsspanne.

Im Gegenzug begegnete Trump ihm mit Freundlichkeit, lobte das Englisch des Kanzlers. Nun muss sich zeigen, ob sich aus der Begegnung ein belastbares Verhältnis entwickelt, das Merz nutzen kann, um Trump dauerhaft auf die Seite der Europäer zu ziehen.  
Maria Fiedler, stellv. Leiterin des Hauptstadtbüros

Merz im Oval Office
Merz im Oval Office. Foto: Michael Kappeler / dpa
5. Die Distanz zwischen Trump und den Europäern bleibt groß
Friedrich Merz hat das von vielen ängstlich erwartete Treffen im Oval Office mit Donald Trump nicht nur unbeschadet überstanden – es verlief sogar insgesamt positiv. Dem Bundeskanzler gelang es, ein freundliches persönliches Verhältnis mit dem US-Präsidenten zu etablieren; es wurde viel gegenseitige Schmeichelei ausgetauscht, was bei Trump bekanntlich die wichtigste Währung ist.

Dass Merz in der Pressekonferenz wenig zu Wort kam, ist nicht schlimm. Statt des von vielen im Vorfeld befürchteten transatlantischen Eklats bestimmten amerikanische Themen die Schlagzeilen, vor allem der eskalierende Streit zwischen Elon Musk und Donald Trump.

Merz konnte seine Position zum Ukrainekrieg klar und selbstbewusst darlegen, ohne den notorisch empfindlichen Präsidenten zu brüskieren. Das ist ihm gelungen.

Gleichzeitig wurde deutlich, wie groß die Distanz zwischen Trumps Haltung und den Erwartungen der Europäer bleibt. Er ist trotz seiner kritischen Äußerungen zu Wladimir Putin in den vergangenen Tagen weit davon entfernt, harte Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen.

Der US-Präsident sieht sich als eine Art neutraler Schiedsrichter, während Merz ihn davon überzeugen will, dass nur die USA genug Druck auf Russland ausüben könnten, um den Krieg zu beenden. Ob Trump je zu dieser Rolle bereit sein wird, bleibt offen. Aber für Merz war das heute ein gelungener erster Schritt.
Mathieu von Rohr, Ressortleiter Ausland
Bundeskanzler Merz bei seinem  Statement im Park am Lincoln Memorial
Bundeskanzler Merz bei seinem Statement im Park am Lincoln Memorial. Foto: Michael Kappeler/dpa
6. Souverän reagiert
Merz hat sich ausgesprochen gut geschlagen, flüssiges Englisch, entspannte Körpersprache, vor allem zum Schluss, er umschmeichelte (zu recht) Trump als den Mann, der entscheidend sei, den Krieg in der Ukraine zu beenden.
 
Auch den Versuch Trumps, die Erinnerung an den 6. Juni 1944, der Landung der Alliierten in der Normandie, ins sportlich Lustige zu ziehen (sei für »Euch« kein guter Tag gewesen) griff der Kanzler souverän auf. Es sei auch der Tag gewesen, an dem die Deutschen von der Nazityrannei befreit worden seien.

Eine Sicht, die sich seit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU) zum 40. Jubiläum der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai im Jahr 1985 weitgehend durchgesetzt hat.
Severin Weiland, politischer Korrespondent im Hauptstadtbüro 
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Updated at: Yesterday 06:59 AM